Henry David Thoreau

Henry David Thoreau (1817-1862) war Natur- und praktischer Philosoph und Schriftsteller. Für seinen Lebensunterhalt versuchte er sich als Lehrer, Landvermesser, und Bleistiftfabrikant. Zwei Jahre lang wohnte er in einer selbstgebauten Hüte an einem kleinen See in Massachusetts (Walden Pond). Während dieser Zeit verdiente er innerhalb von sechs Wochen das, was er für ein Jahr bei spartanischster Lebensweise benötigte, und gab sich dann ganz der Naturbeobachtung hin. Artikel in der Encyclopaedia Britannica Online.









Ich lege mir eine Frage vor: Wie läßt sich aus dem Brotverdienen etwas Poetisches machen? Denn wenn es nichts Poetisches hat, dann ist es kein Leben, sondern Tod. Nachdem ich jetzt vier oder fünf Tage ohne Unterbrechung Land vermessen und Karten gezeichnet habe, verspüre ich eine große Notwendigkeit, meine Beziehung zur Natur zu erneuern, meinen Tonus zu stärken, mich von der ermüdenden und nutzlosen Welt der Geschäfte zurückzuziehen. Die meisten Menschen bringen den größten Teil ihres Lebens mit Geschäftigkeit zu, weil die Seele ein Vakuum verabscheut. Sie haben es versäumt, ihre höchsten Fähigkeiten einzusetzen und schließlich hören sie auf, sich danach zu sehnen.








Es gab Zeiten, in denen ich mich nicht entschlißen konnte, die Blüte des Augenblicks irgendwelcher Arbeit der Hände oder des Kopfes zu opfern. Ich lasse gern einen breiten Rand an meinem Leben. An manchen Sommermorgen saß ich, nachdem ich mein gewohntes Bad genommmen hatte, von Sonnenaufgang bis Mittag in Träumereien versunken auf meiner sonnenbeschienenen Türschwelle zwischen Fichten und Walnußbäumen in ungestörter Einsamkeit und Stille, während die Vögel ringsumher sangen oder leise durch das Haus flatterten, bis ich durch die an das westliche Fenster fallenden Sonnenstrahlen oder durch Wagengerassel auf der Landstraße daran erinnert wurde, daß die Zeit vergeht. In sochen Stunden wuchs ich wie das Korn in der Nacht; sie waren viel besser, als irgendwelches Werk meiner Hände gewesen wäre. Es war keine meinem Leben abgezogene, sondern um soviel dreingegebene Zeit.








Diese wunderbare Welt, in der wir leben, ist eher erstaunlich als bequem, eher schön als nützlich, eher ein Gegenstand der Andacht als der Ausbeutung. Die Ordnung der Dinge sollte daher geändert werden: Der siebte Tag sollte der Tag der Arbeit sein, der Tag, an dem wir unseren Lebensunterhalt im Schweiße unseres Angesichts verdienen. Die übrigen sechs Tage aber sollten festliche Tage der Liebe und der Seele werden.








Aus den Tagebüchern 1837-1861.
Gabriel Zachmann
Last modified: Thu Aug 17 10:27:06 MDT 2006